Mittwoch, 28. September 2011

Rezension

 
Marie-Sophie Lobkowitz – Eine kleine Philosophie vom Glück
 
Entscheidungen befördern das Leben
 
Es sind beileibe keine theoretisch-abstrakten philosophischen Abhandlungen, die Marie-Sophie Lobkowitz vorlegt, sondern in der Summe 12 Kurzgeschichten, in denen allgemein altbekannte, ganz einfache Sentenzen und Aphorismen in Momentaufnahmen konkreter Personen und Lebenssituationen anschaulich verdeutlicht werden. Auf eine sprachlich eher leise und sanfte Art, dennoch aber einen tiefen Eindruck hinterlassend.
 
All dies geschieht auf der Basis der Grundthese der Autorin. Entscheidungen sind es, bewusste und durchaus auch unbewusste, die das Leben von Menschen befördern. Wer keine Entscheidungen trifft, wer sich aus Angst vor Fehlern konkreten Wegen und Festlegungen verweigert, der lebt letztlich nicht wirklich, der wird höchstens gelebt.
 
In den einzelnen Geschichten veranschaulicht Lobkowitz diese Starre einerseits und den sich öffnenden Fluss des Lebens andererseits an ganz konkreten Lebenssituationen ganz konkreter Menschen. Und sie vollzieht dies in einer empathischen, Emotionen weckenden Sprache und Darstellung, die die Protagonisten der jeweiligen Kurzgeschichten nahe rücken lässt.
 
Dies zeigt sich bereits in der ersten Geschichte auf.
Unter der Themensetzung „Die Zeit läuft auch, wenn wir stillstehen“ treffen wir auf eine Frau, die ihr eigenes Lebens über Jahrzehnte hinweg der Pflege der dementen Mutter gewidmet hat, die nun erlebt, wie schnell der Körper altert und wie langsam doch die Seele im Lauf der Jahre nur nachkommt. Trotz des eigenen, vorgerückten Lebensalters aber tauchen, höchst empathisch durch die Autorin geschildert, zunächst innere Möglichkeiten, die dem Leben nun durchaus eine andere Wendung zu geben vermögen. Manches mag versäumt worden sein, nie aber ist es zu spät.
 
In gleicher sprachlicher Qualität und intensiver Atmosphäre treten auch die anderen Geschichten zu je einem Aphorismus, einer Sentenz in den Raum. So wie der Mann,  der einerseits die Liebe seines Lebens gefunden hat und anderseits sich mit der Schwangerschaft seiner labilen und eher lebensunfähigen ehemaligen Lebensgefährtin auseinandersetzen muss. Eine Entscheidung, die ihn zwar innerlich von Himmel hoch jauchzend zu Tode betrübt werden lässt, die er aber zunächst dennoch gegen das eigene, vordergründige Glück fällen wird. Mit offenem Ende, denn die neue Liebe, sie will warten. Bis wann?
 
Auch dieses offene Ende ist eine Qualität der Geschichten. Lobkowitz tritt nicht  martkschreierisch konkret für eine Richtung werbend auf. Nur Entscheidungen, die müssen sein, will man leben, führen aber in den Geschichten weder zu einem klaren Happy End noch zu einem Absturz in Depressionen, sondern zu einem Anfang einer offenen Entwicklung.
 
Ein wunderbarer Stil, der den Leser emotional mit hinein nimmt in die zunächst fremden Lebenssituationen, ihn dann sanft auf das eigene Leben aufmerksam macht und zu guter Letzt eindrucksvoll zu Entscheidungen auch für den eigenen Weg motiviert, welche dem Fluss des Lebens freien Raum anbieten. Die Entscheidung ist eben nur der Anfang von irgendwas, aber dieser Tag ist der Erste vom Rest des Lebens, also ruft das Leben geradezu danach, gestaltet und angenommen zu werden.
 
Ein wunderbares Buch voller Reiseberichte in das innere und äußere Leben verschiedener Menschen. Emotional dicht in 12 Kurzgeschichten verfasst.
 
M.Lehmann-Pape 2010 
http://www.rezensions-seite.de/

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen